»Mangel an Optimismus ist Mangel an Wunschkraft.«

Franz Marc (1880 bis 1916)

Manche Formulierungen stören den Lesefluss, obwohl sie nicht im engeren Sinne sprachlich falsch sind. Häufig zücke ich den virtuellen Rotstift, wenn es darum geht, Entwicklungen zu beschreiben. Schauen Sie mal auf folgenden Satz:

Der Mangel an Arbeitskräften wird weiter zunehmen.

Inhaltlich ist daran nichts auszusetzen, sprachlich eigentlich auch nicht. Ein Mangel bedeutet, dass es (zu) wenig von einer Sache gibt. Schwierig wird es aber, wenn sich der Mangel verändert: Je weniger es gibt, desto größer ist der Mangel. Die mit dem Verb (zunehmen) ausgedrückte Bewegung ist genau gegenläufig zu dem, was das Substantiv (Mangel) bezeichnet. Und das knirscht.

Wenn der Mangel als Begriff bleiben soll, schlage ich vor, das Verb zu variieren: Der Mangel kann sich zum Beispiel auch verschärfen, er kann deutlicher, sicht- oder spürbarer werden. Oder Sie wählen eine ganz andere Formulierung, etwa: »Die Zahl der (verfügbaren) Arbeitskräfte wird weiter zurückgehen.«

Eine ähnliche Unschärfe ergibt sich bei Formulierungen wie der folgenden:

Die Quote hat sich mehr als halbiert.

Nach dem ersten Beispiel erkennen Sie jetzt sicher sofort, was ich meine: Das Verb »halbieren« bezeichnet eine Bewegung nach unten, der Ausdruck »mehr als« eine nach oben. Das faszinierende Ergebnis: Wenn sich etwas »mehr als halbiert«, ist am Ende weniger als die Hälfte von der Ursprungsmenge übrig. Sprachliche Klarheit geht anders.

In diesem Fall können Sie zum Beispiel schreiben, die Quote sei nur noch knapp/nicht einmal mehr halb so groß wie vorher. Oder Sie nehmen gleich die konkrete Prozentzahl, dann bleiben keine Fragen mehr offen.

© Juliane Topka 2019
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