»Nie ist der Befehl eine Bitte, oft ist die Bitte ein Befehl.«

Otto Weiß (1849 bis 1915), Wiener Musiker und Feuilletonist

Häufig werde ich gefragt, ob sich im Zuge von Sprachwandel und Rechtschreibreform etwas an der Bildung von Imperativen geändert habe. Dass falsche Aufforderungsformen wie »les(e)« oder »geb(e)« inzwischen sogar in renommierten Zeitungen mal durchrutschen, sorgt offenbar für Irritationen. Verständlich! Deshalb gibt es von mir heute eine kleine Auffrischung in Sachen Befehlsform.

Oft wird der Imperativ durch Weglassen des »-(e)n« aus dem Infinitiv gebildet. So heißt es zum Beispiel »Geh mal bitte zur Seite«, »Grüß deine Schwester von mir« oder »Wasch dir die Hände«. Aber es gibt eben auch Fälle, in denen es anders läuft: Es heißt »Gib (nicht: gebe) mir mal einen Tipp«, »Nimm (nicht: nehme) dir einen Keks« und »Lies (nicht: lese) mal den Artikel«. Genau so, wie wir es alle in der Schule gelernt haben (sollten). Daran hat die verbreitet falsche Umgangssprache bisher nichts geändert, und die Rechtschreibreform hat damit ohnehin nichts zu tun.

Ein weiterer häufiger Fehler ist der inflationäre Einsatz von Apostrophen. Die sind im Zusammenhang mit Imperativen fehl am Platz. Mit einem Apostroph kann man anzeigen, dass etwas weggelassen wird; nötig ist das aber nur, wenn der Begriff ohne das Strichlein schwer zu erfassen wäre. Die Form »geh« ist aber genauso verständlich wie »gehe«, Gleiches gilt für »hol«/»hole« oder »grüß«/»grüße«: Apostrophe brauchen Sie da nicht, die bremsen nur den Lesefluss. Und bei »nimm«, »gib« oder »lies« ist gar nichts weggelassen, die sind einfach so, wie sie sind.

© Juliane Topka 2020
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