»Tätigkeit ist das Salz des Lebens.«

Deutsches Sprichwort

Mit wissenschaftlichen Texten habe ich in meiner Lektoratstätigkeit selten zu tun. Nun wies mich eine Leserin auf ein Phänomen hin, das in diesem Bereich offenbar stark verbreitet ist: das Passiv bei reflexiv verwendeten Verben.

Worum geht es? Manche Verben benötigen ein Akkusativobjekt, das also auf die Frage „wen oder was?“ antwortet. Ist dieses Akkusativobjekt eine Sache oder eine andere Person, nennt man das Verb transitiv; ist es die handelnde Person selbst, spricht man von einem reflexiven Gebrauch. Ein Beispiel:

transitiv: Er betrachtet (wen oder was?) das Gemälde.
reflexiv: Er betrachtet (wen oder was?) sich im Spiegel.

Grundsätzlich lassen sich beide Formen auch ins Passiv setzen (Das Gemälde wird von ihm betrachtet. Er wird von sich selbst betrachtet.). Sie merken im zweiten Fall aber: Das knirscht. Tatsächlich herrschte lange Zeit breiter Konsens darüber, dass man reflexive Verben nicht passiv gebraucht.

Inzwischen scheint sich diese Form aber gerade in der Wissenschaft immer mehr durchzusetzen: »In dieser Master-Arbeit wird sich bezogen auf …« oder »In der Studie wird sich befasst mit …«. Sprachaffinen Menschen rollen sich da die Fußnägel hoch. Dass die Ich- bzw. die Wir-Form in solchen Publikationen unerwünscht ist, lasse ich als Grund für solche Verrenkungen nicht gelten, denn die 3. Person bietet einen aktiven Ausweg: »Die Autorin bezieht sich in dieser Arbeit auf …«, »Die Studie befasst sich mit …«.

Wer seine Leserinnen und Leser nicht einschläfern möchte, ist aber auch ganz unabhängig von Thema und Kontext gut beraten, passive Formulierungen so sparsam wie möglich zu verwenden.

© Juliane Topka 2022
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